Meinung

Linien, rubinrot wie die Kremlsterne – kühlen Kopf bewahren nach Kiews Drohnenanschlag auf den Kreml

Nach dem Drohnenangriff auf den Kreml dürfte dem Letzten klar sein: Verhandlungen, eine diplomatische Lösung kann es im Ukraine-Konflikt nicht mehr geben. Militärisch allerdings ändert er nichts.
Linien, rubinrot wie die Kremlsterne – kühlen Kopf bewahren nach Kiews Drohnenanschlag auf den KremlQuelle: www.globallookpress.com © Petrov Sergey/news.ru

Von Dawid Narmanija

Das hat es seit acht Jahrzehnten nicht mehr gegeben, doch alles ändert sich schnell. Der Feind schlägt im Herzen Russlands zu – gegen Moskau, gegen den Kreml. Für manche schien es undenkbar, aber die Fakten sprechen für sich. Während Russland lediglich eine militärische Spezialoperation führt, führt Kiew einen Krieg. Und im Krieg sind, wie man weiß, alle Mittel recht.

Nach Angaben des Präsidentensprechers Dmitri Peskow haben zwei ukrainische Kamikaze-Drohnen am Mittwochabend den Kreml angegriffen:

"Dank dem rechtzeitigen Eingreifen des Militärs und der Spezialdienste, die Funkstörmittel einsetzten, wurden die Geräte außer Gefecht gesetzt."

Wladimir Putin selbst war zu diesem Zeitpunkt nicht vor Ort: Der Staatschef arbeitete in seiner Residenz in Nowo-Ogarjowo. Die Parade auf dem Roten Platz steht in weniger als einer Woche an, und es ist völlig klar, dass man auf einen zweiten Anschlag vorbereitet sein muss.

Genauso klar ist, dass eine frische Kränkung kein guter militärischer Berater ist – selbst wenn sie das eigene Selbstbild schwerer beschädigt hat als das kupferne Dachblech des Senatspalasts im Kreml: In den sozialen Medien werden Vorschläge in einem Spektrum von massiven Angriffen auf Entscheidungszentren bis hin zum Einsatz von Atomwaffen diskutiert. Doch diese Optionen sind im besten Fall sinnlos, im schlimmsten Fall schädlich.

Selenskij ist eh nicht in der Bankowaja-Straße in Kiew, sondern in Europa – ob nun gerade in Finnland, in den Niederlanden oder sonst wo. Und Massenvernichtungswaffen würden – selbst wenn man die moralische Dimension eines solchen Vorgehens außer Acht lässt – mit hoher Wahrscheinlichkeit eine wirkliche Isolierung bedeuten. Und – ach so, ja: Gegen Drohnen sollten Luftverteidigung und Luftabwehr vorgehen, gegen Saboteure und Terroristen die Sicherheits- und Nachrichtendienste. Nicht die strategischen Raketen Sarmat und Awangard – und nein, nicht einmal der nuklear bestückte Teil der taktischen Iskander-Lenkflugkörper.

An der Front nichts Neues

Wichtig zu verstehen ist: Militärisch hat sich überhaupt nichts geändert. Es ist ja gerade das Regime in Kiew, das meint, in Ermangelung echter Erfolge auf dem Schlachtfeld seine derartigen "Siege" dem leichtgläubigen Publikum über dessen Smartphonebildschirme demonstrieren zu müssen. Und anders als beim täglichen Artilleriebeschuss von Zivilisten in den frontnahen Gebieten durch Kiews Truppen kam bei diesem Drohnenangriff niemand ums Leben – und in den frontnahen Gebieten leben, nur mal so, genauso russische Bürger wie im Kreml auch.

Der einzig mögliche Ausweg aus dieser Lage ist die Zerstörung des derzeitigen Regimes in der Ukraine. In welchen Grenzen die Ukraine danach verbleibt und ob es einen solchen Staat überhaupt noch geben wird, ist dann das nächste Thema, das Russland in viel geringerem Maße Kopfzerbrechen bereiten sollte. Wichtig ist, dass die Ukraine aufhört, eine Bedrohung zu sein.

Und wenn sich in diesem Zusammenhang eine Frage stellt, so lautet sie: Wie unabhängig war Kiew bei der Entscheidung, den Kreml anzugreifen? Es ist ja nie und nimmer ein Zufall, dass der ukrainische Präsident persönlich zum Zeitpunkt des Angriffs nicht in der Hauptstadt war. Offensichtlicher geht es nicht mehr: Es wird keine Verhandlungen und keine diplomatische Lösung dieser Krise geben, solange Selenskij nicht vor Gericht gestellt wird. Und die Verhandlungen werden anschließend nicht mehr mit ihm geführt.

Der ehemalige Komiker schickt schon seit langer Zeit Ukrainer in den Tod für fremde Interessen. Offiziere aus den ukrainischen Wehrkreisämtern, die für die Männer auf der Straße einfangen, damit die ukrainischen Kriegskommissare sie in Artjomowsk in den Tod schicken können, wurden auf so vielen Videoaufnahmen verewigt, dass sie in der Medienlandschaft mittlerweile einen Allgemeinplatz darstellen. Und nun wurde Selenskij selbst von einem westlichen Kriegskommissar in den Tod geschickt. Seine Pistole, die er stets bei sich führt, wird ihm also sehr gelegen kommen.

Zu Russen, die noch irgendwelche Zweifel hatten, muss jetzt endlich durchdringen, dass hinter dem Kiewer Regime der Westen steht – und jegliche Hoffnungen und Versuche, sich ihm anzuschließen, ein Teil des Westens zu werden und in ihm aufzugehen, jetzt noch naiver erscheinen. Zu ihnen muss durchdringen, dass Russland gar keine andere Wahl bleibt als der Sieg. Und der Sieg muss erkämpft werden. Wer gehofft hatte, das Geschehen in der Ukraine sei "nichts Ernstes", wird nun schmerzlich mit dem Offensichtlichen konfrontiert: Es gibt keine roten Linien mehr. Selbst die Linien im Rubinrot der Kreml-Sterne wurden überschritten.

Und so ist der Anschlag des Kiewer Regimes außerdem gleichsam eine rubinrote Pille der Realität. Wer sich erhoffte, mit irgendwelchen "magisch" einfachen Lösungen einen schnellen Wandel in der Weltordnung herbeiführen zu können, wird nun erkennen müssen: Die neue Realität des Krieges bleibt uns noch lange erhalten.

Übersetzt aus dem Russischen.

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