Meinung

Deutschlands Umgang mit historischer Erinnerung an den "Großen Vaterländischen Krieg"

Der Umgang mit sowjetischen Denkmälern, die an den Kampf und Sieg der Roten Armee gegen den Hitlerfaschismus erinnern, wird auch in Deutschland immer komplizierter. Noch werden sie nicht wie in Polen oder Tschechien abgerissen, gewisse Bestrebung in diese Richtung werden aber auch hier immer lauter.
Deutschlands Umgang mit historischer Erinnerung an den "Großen Vaterländischen Krieg"Quelle: Gettyimages.ru © Wirestock

Von Tom Dannert

Der vergangene Sonntag war ein Datum, das für Russland zu den bedeutendsten seiner Geschichte zählt – am 30. April, vor 78 Jahren, haben Rotarmisten eine rote Fahne über dem deutschen Reichstag gehisst, die für die sowjetische beziehungsweise russische Bevölkerung seitdem nicht nur als Symbol für den Sieg über den Faschismus gilt, sondern auch quasi als eine Reliquie für den eigenen Freiheitskampf.

In diesem Sinne wird in ganz Russland in diesen Tagen besonders viel Wert darauf gelegt, die Erinnerung an den "Großen Vaterländischen Krieg" zu pflegen und so das Andenken der Millionen Soldaten der Roten Armee, der Partisanen sowie der Rüstungsarbeiter an nachkommende Generationen weiterzugeben. Darum werden im ganzen Land jedes Jahr am 9. Mai die Feierlichkeiten anlässlich des Sieges der Sowjetunion und ihrer Verbündeten über Nazi-Deutschland begangen.

Wie steht es aber um die Bundesrepublik, wenn es um die Gedenk- und Erinnerungskultur bezüglich des aus ihrer Sicht "Deutsch-sowjetischen Krieges der Jahre 1941-45" geht?

Grundsätzlich ist zu bemerken, dass die Deutschen bislang stets an die "Befreiung von dem Hitler-Regime" erinnert haben, und zwar nicht am 9. Mai, wie in Russland, sondern schon am Tag davor, am 8. Mai, der in Deutschland insofern offiziell "Tag der Befreiung" heißt. Dabei ist der Umgang mit diesem Datum und generell mit diesem Thema im Land recht unterschiedlich: Während dieser Tag in "Westdeutschland" eher wenig Anklang findet, gibt es in der ehemaligen DDR deutlich mehr Bürger, die an dieses Datum in einer besonderen Weise herangehen. Vor allem die Vertreter der älteren Generationen oder jene Bundesbürger, die mit Russland sympathisieren, nehmen etwa an Kranz- und Blumenniederlegungen oder an Demonstrationen teil, die meist von linksgerichteten Parteien und Organisationen veranstaltet werden. Diese Veranstaltungen sind aber eher überschaubar.

Bis vor Kurzem schien das im Grunde eher so zu sein, dass die überwältigende Mehrheit der Deutschen diesem Thema mit Respekt entgegnet, wenn auch erwartungsgemäß nicht mit der gleichen Inspiration, wie jene Bürger, die einen sowjetischen oder russischen Hintergrund haben.

Nach dem Beginn der "speziellen Militäroperation" in der Ukraine 2022 ist der Umgang mit dieser Erinnerung in Deutschland jedoch komplizierter geworden. Es ist unter anderem eine Debatte um sowjetische Kriegsdenkmäler entbrannt, wobei sogar wiederholt Abrissforderungen laut wurden. Zum Beispiel hatte die CDU-Fraktion im Berliner Abgeordnetenhaus im vergangenen Jahr gefordert, zwei Panzer, die das sowjetische Ehrenmal unweit des Reichstags flankieren, als Reaktion auf die russische Intervention abzubauen – ohne Erfolg. Der Berliner Senat lehnte diesen fragwürdigen Vorstoß korrekterweise ab.

Dabei ist Deutschland eigentlich per internationale Vereinbarungen dazu verpflichtet, sowjetische Gedenkstätten und Kriegsgräber zu ehren und zu pflegen. Zudem fallen etwa die Ehrenmäler in den Berliner Stadtteilen Treptow, Tiergarten und Pankow, die gleichzeitig auch Grabstätten sind, unter das Gräbergesetz des Bundes, das die Pflege und Instandhaltung regelt.

Ungeachtet dessen sollen sich viele Bürger dazu – angeblich wegen des Ukraine-Kriegs – jedoch nicht mehr verpflichtet fühlen und wollen die "Russen-Denkmäler" weghaben, wie es oft heißt. Es kam bereits mehrfach zu Farbschmierereien an solchen Monumenten und auch zu anderen Akten von Vandalismus. So wurden etwa letztes Jahr die Säulen des Eingangstores zum bekannten Mahnmal in Berlin-Treptow mit Beleidigungen und antirussischen Parolen beschmiert.

Angesichts dessen sowie der Zustände in Polen oder Tschechien, wo bereits fast alle sowjetischen Ehrenmäler demontiert wurden, ist im Hinblick auf Deutschland leider eine ähnliche Entwicklung zu befürchten. Denn dieses Land, in dem es schon zahlreiche Versuche diverser Politiker und NGOs gab, die Geschichte des Zweiten Weltkrieges zu relativieren, umzudeuten oder gar umzuschreiben, ist unlängst dabei, zu einem Hort der Verleumdung und Verunglimpfung der Roten Armee sowie der damaligen Sowjetführung zu werden. Insofern könnten Kriegsdenkmäler sowie andere Gedenkstätten mit sowjetischem Bezug auch in Zukunft zu Angriffszielen werden. Ob es aber zu Abrissen kommt, wie von diversen politischen Kräften im Land gefordert, ist zumindest in der heutigen Situation eher unwahrscheinlich.

Denn es ist außerdem zu betonen, dass Handlungen dieser Art, die sich damit auch gegen die historische Erinnerung richten, in großen Teilen der deutschen Gesellschaft klar auf Ablehnung und Unverständnis stoßen. Und das nicht nur, weil ein Abriss von Mahnmalen widerwärtig und abzulehnen ist. Sondern weil es weder mit der offiziellen Haltung Deutschlands in Bezug auf die gewohnte Gedenk- und Erinnerungskultur noch mit den rechtlichen Verpflichtungen beim Denkmalschutz vereinbar sind, die die Deutschen im Zuge der Wiedervereinigung, die sie in erster Linie eigentlich den einstigen sowjetischen Kriegsgegnern verdanken, auf sich genommen hatten.

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