Meinung

Ich unterstütze westliche Werte mehr als der Westen selbst: Notizen vom Rand der narrativen Matrix

Ich werde oft als "antiwestlich" kritisiert. Aber ich bin nicht gegen den Westen, ich bin für den Westen. Ich bin dermaßen prowestlich, dass ich mir wünsche, dass unsere Werte wie Frieden, Freiheit, Demokratie, Wahrheit und Gerechtigkeit reale Dinge sind, die in der tatsächlichen westlichen Zivilisation existieren – und nicht nur als Fiktion, die westlichen Schulkindern erzählt wird.
Ich unterstütze westliche Werte mehr als der Westen selbst: Notizen vom Rand der narrativen MatrixQuelle: Gettyimages.ru © Picture Finders

Von Caitlin Johnstone

Ich bin dermaßen prowestlich, dass ich möchte, dass der Westen die tatsächlichen westlichen Werte verkörpert, die er zu verkörpern vorgibt. Ich bin dermaßen prowestlich, dass ich die Praxis unterstütze, westliche Werte im Westen zu verbreiten. Ich bin ein westlicher Kulturimperialist, außer dass ich den westlichen Kulturimperialismus im Westen implementieren möchte. Ich bin wie ein Kreuzfahrer, ein westlicher Kolonialist, der die Segel setzt, um diesen gottlosen westlichen Wilden die Segnungen der westlichen Zivilisation zu bringen. Mit dem Unterschied, dass ich ihnen nicht Mord, Sklaverei, Raub und Krankheiten bringe, sondern wirklich versuche, ihnen die wahre westliche Zivilisation zu vermitteln.

Ich bin dermaßen prowestlich, dass ich möchte, dass die westlichen Werte, die mir als Kind angedreht wurden, tatsächlich existierende Dinge sind. Und weil ich westliche Werte viel mehr unterstütze, als der eigentliche Westen es tut, werde ich als "antiwestlich" diffamiert und aufgefordert, nach China auszuwandern. Blödsinn! Sie sollten nach China auswandern!

Ein Typ namens David Gondek, dem ich auf Twitter folge, hat es sehr schön ausgedrückt: "Es gibt nichts Fehlerhaftes an der westlichen Zivilisation, das nicht behoben werden könnte, solange man sich an seine eigenen erklärten Prinzipien hält."

Es ist nicht "antiwestlich" zu verlangen, dass der Westen Kriegshetze, Militarismus, Zensur, Propaganda, geheimnistuerische Regierungen, Oligarchie, Ungerechtigkeit, Unterdrückung und Ausbeutung beendet. Das ist prowestlich. Die westlichen Werte wie Frieden, Gerechtigkeit, Gleichheit, Demokratie, Freiheit und Rechenschaftspflicht, die uns in der Schule beigebracht wurden, sind sehr gute Dinge. Das einzige Problem ist, dass der Westen sie selbst nicht schätzt.

Um es klar zu sagen, das US-Imperium bekommt aus dem Krieg in der Ukraine alles, was es verlangt. Es behauptet auf der einen Seite, dass dieser Krieg eine nicht provozierte Invasion durch Russland gewesen sei, den man nie gewollt habe, während man gleichzeitig zugibt, dass dieser Krieg alles bietet, was man jemals von der anderen Seite haben wollte. Die USA sind nicht unabsichtlich in diesen glücklichen Umstand gestolpert, der zufällig alle ihre langjährigen geostrategischen Absichten gegen einen ewigen geopolitischen Gegner vorantreibt. Man hat diese Situation absichtlich herbeigerufen, und nur ein dummer Idiot würde etwas anderes glauben.

Putin führt diesen Krieg nicht, weil er dachte, es wäre eine nette Idee, ein bisschen mehr Land zu erobern. Er führt ihn, weil er zur Einschätzung kam, dass Russland irgendwann die Aggressionen der NATO in der Ukraine abwehren muss und es einfacher sei, sie jetzt schon abzuwehren als später. Die Leute sagen: "Grummel, Grummel ..., wenn die USA diesen Krieg provoziert haben, um ihre eigenen Interessen voranzutreiben, dann ist Putin ein Idiot, wenn er darauf hereingefallen ist." Aber jeder, der jemals Schach gespielt hat, weiß, dass es bei Strategie oft darum geht, den Gegner zu zwingen, sich zwischen zwei schlechten Optionen zu entscheiden, die einem selbst jedoch zugutekommen.

In einigen antiimperialistischen Fraktionen gibt es immer noch die Vorstellung, dass Putin ein brillanter strategischer Zauberer ist, der das Imperium in einer Partie 5D-Schach überlistet. In Wirklichkeit kämpft er defensiv gegen einen weitaus reicheren, weitaus mächtigeren Feind, und das kommt seiner Nation teuer zu stehen. Ob die Ukraine diesen Krieg "gewinnt" oder nicht, ist irrelevant angesichts der Tatsache, dass das US-Imperium für relativ geringe Kosten in der Lage war, ein riesiges schwarzes Loch zu schaffen, in das Moskau seine Energie und Aufmerksamkeit stecken muss, wodurch die imperiale Maschine frei wurde, sich auf das Drehen der Schrauben in Richtung China zu konzentrieren. Eine freundliche Erinnerung: China stellt nur eine Bedrohung für das US-Imperium und seine Pläne der planetaren Vorherrschaft dar, nicht für die USA als Nation selbst. Die Architekten des Imperiums verwirren die amerikanischen Bürger und andere im Westen absichtlich, indem sie diese beiden Konflikte in einer massiven Propagandakampagne miteinander verschmelzen.

Ein Kind wohlhabender Eltern zu sein, ist, wie in eine Sekte hineingeboren zu werden, deren gesamter Fokus darauf liegt, die Klassensolidarität mit der herrschenden Klasse zu stärken. Ihre soziale Kultur, akademische Kultur, Familienkultur usw. sind darauf ausgerichtet, eine elitäre Gemeinsamkeit aufzubauen, die das gewöhnliche Gesindel ausschließt. Das ist der Grund, warum die herrschende Klasse gegenüber der Arbeiterklasse eine so weit überlegene Klassensolidarität hat. Die meisten von uns wurden nicht mit dem akuten Bewusstsein erzogen, dass wir uns sehr von der herrschenden Klasse unterscheiden und dass deren Interessen mit unseren eigenen Interessen in Konflikt stehen. Aber jeder in der herrschenden Klasse wurde dahingehend erzogen. Bis sie reif genug sind, um die Zügel zu übernehmen, haben Mitglieder der herrschenden Klasse ein ganzes kulturelles Erziehungssystem durchlaufen, das der Bildung von Solidarität mit ihrer eigenen Klasse gewidmet ist, während der Rest von uns sich darauf konzentriert hat, unsere Köpfe über Wasser zu halten.

Einer der dümmsten Glaubenssätze der "populistischen Rechten" ist derzeit, dass die herrschenden Eliten sich mit der Förderung des "Wokeismus" und der "sozialen Gerechtigkeit" um etwas kümmern. Unsere Herrscher kümmern sich nicht um die Rechte von Transsexuellen oder was auch immer – sie kümmern sich nur darum, das Feuer des Kulturkampfes zu schüren, um einen Klassenkampf zu verhindern. Unsere Herrscher würden noch so gerne jeden Transmenschen auf dem Planeten einäschern, wenn das bedeuten würde, damit die eigene Herrschaft zu zementieren. Sobald das Propagieren von Black Lives Matter aufhören wird, politisch nützlich zu sein, wird es umgehend die Toilette hinuntergespült. Die herrschende Klasse sorgt sich nicht um Randgruppen, sie benutzt sie nur.

Es ist so dumm anzunehmen, dass mächtige Plutokraten und geheimnistuerische Regierungsbehörden die Normalisierung der LGBT-Rechte vorantreiben, weil sie damit aufgehört haben, sich um Macht und Herrschaft zu kümmern und jetzt einfach ihre Liebe zum "Wokeismus" entdeckt haben. Tolles Wunschdenken, Dummkopf! In Wirklichkeit stellen marginalisierte Gruppen für die herrschende Klasse keinerlei Bedrohung dar. Wir sollen marginalisierte Gruppen als Feind betrachten, damit diese ihre Herrscher – die sich keinen Deut um sie kümmern – nicht als Feind betrachten.

Menschen auf der rechten Seite des politischen Spektrums, die sich selbst als Rebellen gegen das Establishment betrachten, während sie Trump, Thilo Sarrazin und Elon Musk beklatschen, sind genau dieselben wie jene "Demokraten", die sich "Der Widerstand" nennen, weil sie Göring-Eckardt und Dunja Hayali beklatschen. Sie sind dieselbe Sorte Mainstream-Esel, nur mit unterschiedlichen Narrativen.

"Widerstands"-Liberale dachten, sie kämpften gegen Trump, weil sie versuchten, den Präsidenten seines Amtes zu entheben. Die Leute aus der MAGA-Fraktion dachten, dass gegen Trump gekämpft wurde, weil da ein "Tiefer Staat" am Werk war. Aber in Wirklichkeit sind beide Seiten nur Partisanen innerhalb des Mainstreams, die die imperiale Einheit voll unterstützen. Wenigstens sind Liberale ehrlich darin, Liberale zu sein. Die Konservativen hingegen klatschen zusammen mit den konservativen Mainstream-Politikern und den konservativen Mainstream-Experten, um dann die andere Seite als "teilnahmslose Charaktere des Mainstreams" zu bezeichnen. Dabei sind die Konservativen in Wirklichkeit genau gleich. Sie sind bloß Konservative, die in einem Rollenspiel als unparteiische Freidenker auftreten.

Ich lehne Mainstream-Politiker und Mainstream-Medien nicht ab, weil es von Natur aus schlecht ist, Mainstream zu sein. Ich tue es, weil wir im Moment in einer stark kontrollierten Zivilisation leben, in der die einzigen Dinge, die Mainstream werden dürfen, jene sind, die unseren Herrschern dienlich sind – oder sie zumindest nicht behindern. Im Moment erhebt die herrschende Klasse – die alle Mittel zur Verfügung hat, um den Mainstream zu kontrollieren – nur Dinge in den Mittelpunkt, die entweder ihre Interessen aktiv fördern oder den Status quo zementieren, in dem wir leben.

Im Moment ist es weise, den Mainstream abzulehnen. Aber wir sollten das nicht mit der Vorstellung verwechseln, dass es immer schlecht ist, im Mainstream zu sein. Unser Ziel sollte es sein, dass unsere eigenen gesunden Werte von Frieden, Gleichheit und Gerechtigkeit eines Tages zum Mainstream werden. Es ist ein Zeichen von Toxizität, unter dem aktuellen Status quo zum Mainstream erhoben zu werden. Aber wir sollten bedenken, dass wenn es uns gelingt, den Status quo zu ändern, die Verschiebung zum Mainstream eines Tages ein Zeichen des Wohlergehens sein wird.

Aus dem Englischen.

Caitlin Johnstone ist eine unabhängige Journalistin aus Melbourne, Australien. Ihre Webseite findet sich hier und man kann ihr auf Twitter unter @caitoz folgen.

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