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Jüngste Feindseligkeiten zwischen syrischen und US-Streitkräften könnten einen Wendepunkt bilden

Die Truppen von Damaskus und ihre von Iran unterstützten Verbündeten scheinen sich auf eine frontale Konfrontation mit den US-amerikanischen Besatzern zuzubewegen. Dies könnte zu neuen Fakten vor Ort und zur Möglichkeit eines US-Rückzugs führen.
Jüngste Feindseligkeiten zwischen syrischen und US-Streitkräften könnten einen Wendepunkt bildenQuelle: AFP © SANA / AFP

Eine Analyse von Robert Inlakesh

US-Präsident Joe Biden ordnete im vergangenen Monat Luftangriffe auf eine Reihe von Stellungen im Nordosten Syriens an, nachdem Washington den Tod eines Vertragssöldners bei einem Drohnenangriff bekannt gegeben hatte.

Was folgte, war eine beispiellose Reaktion der Syrisch-Arabischen Armee (SAA) und verbündeter Milizen, die während der Dauer des folgenden Tages US-Stellungen beschossen. Dieser Beschuss markiert einen Wendepunkt im Konflikt zwischen den beiden Seiten. In den vergangenen Jahren gab es im Osten Syriens mehrere Schusswechsel zwischen Milizen, die jeweils mit den USA und mit Iran verbündet sind. Diese führten jedoch selten zu amerikanischen Opfern, und die Feindseligkeiten konnten in Grenzen gehalten werden.

Am 23. März behauptete das US-Verteidigungsministerium, eine Drohne iranischer Herkunft habe die in der Nähe von al-Hasaka im Nordosten Syriens stationierten US-Streitkräfte angegriffen, dabei einen amerikanischen Vertragssöldner getötet und mehrere Soldaten verletzt. Am darauffolgenden Tag wurden F-15-Kampfflugzeuge von Doha aus gestartet, um die mit Iran verbündeten Milizen in der syrischen Provinz Deir ez-Zor anzugreifen.

Was sich bei den US-Angriffen vom 24. März geändert hat, ist, dass es in Deir ez-Zor nicht nur zu heftigen Gegenangriffen durch die mit Iran verbündeten Milizen, sondern auch durch die SAA selbst kam, die laut Pentagon hauptsächlich auf amerikanische Streitkräfte rund um die Ölfelder von al-Omar abzielten und sechs US-Soldaten traumatische Hirnverletzungen zufügten.

Während seiner Reise nach Kanada am darauffolgenden Tag bemerkte Joe Biden auf die Frage nach Vergeltungsmaßnahmen gegen Iran, dass sich die USA "nicht zurückhalten werden", und fügte hinzu: "Seien Sie darauf vorbereitet, dass wir energisch handeln werden, um unser Volk zu schützen."

Später stellte sich heraus, dass die Regierung von Joe Biden einen Flugzeugträger, die USS George H. W. Bush, näher an die syrische Küste verlegt hat. Das ist laut der stellvertretenden Pressesprecherin des Pentagon, Sabrina Singh, auf "zunehmende Angriffe von Gruppierungen zurückzuführen, die mit der Iranischen Revolutionsgarde (IRGC) verbunden sind und die es auf unsere Streitkräfte in ganz Syrien abgesehen haben".

Was sich hier abzeichnet, unabhängig davon, welche Maßnahmen die USA in Zukunft ergreifen werden, ist eine strategische Veränderung in der Gleichung, die von Syrien und seinen Verbündeten im Osten Syriens aufgestellt wurde. Eine irakische Quelle mit intimen Kenntnissen der Situation behauptete mir gegenüber, dies sei ein "Befehl gewesen, ab jetzt amerikanische Truppen zu töten und nicht nur Warnschüsse abzugeben". Laut einer syrischen politischen Quelle, die sich aus Sicherheitsgründen dafür entschieden hat, anonym zu bleiben, ist die Eskalation im Nordosten direkt mit der anhaltenden israelischen Aggression gegen das Land verbunden.

"Der jüngste Schritt Syriens und seiner Verbündeten ist eine direkte Reaktion auf eine Welle israelischer Eskalationen gegen das Land, die im vergangenen Jahr begannen. Wenn man sich erinnert, gab es im August 2022 eine ähnliche Pattsituation zwischen den USA und den Verbündeten der IRGC im Nordosten Syriens. Die israelische Aggression wird direkt von den Vereinigten Staaten ermöglicht, die in der Vergangenheit die Bedeutung der amerikanischen Militärpräsenz in Syrien betont haben, um Israels 'Krieg zwischen den Kriegen', gegen die mit Iran verbündeten Milizen zu ermöglichen."

Der "Krieg zwischen den Kriegen" ist eine militärische Operation von Tel Aviv, bei der in einer Zeit relativer Ruhe zwischen beiden Seiten verdeckte Operationen gegen feindliche Staaten durchgeführt werden. Israels jüngste Kampagne bestand hauptsächlich aus Operationen gegen Ziele, die mit Iran in Verbindung stehen, sowohl innerhalb als auch außerhalb Irans. Dazu gehört auch eine große Anzahl nicht angekündigter Luftangriffe gegen Syrien, wo Mitglieder des IRGC zusammen mit verbündeten Milizen ins Visier genommen werden. Die israelischen Verteidigungsstreitkräfte pflegen die Politik, solche Angriffe nicht zu kommentieren, aber Ministerpräsident Benjamin Netanjahu hat in der Vergangenheit zugegeben, dass im Laufe der Jahre "Hunderte" solcher Angriffe stattgefunden haben.

Wenn der neue Ansatz von Damaskus, mit Nachdruck gegen das US-Militär im Nordosten Syriens vorzugehen, in Zukunft weitergeführt wird, hat Washington nur zwei Möglichkeiten: mit Damaskus zu verhandeln oder das Land vollständig zu verlassen. Sobald amerikanische Soldaten in Leichensäcken nach Hause kommen, weil sie eine Besatzung in einem Land aufrechterhalten, zu dem weder die US-Öffentlichkeit noch der Kongress befragt wurden, könnte der Druck, in Syrien präsent zu bleiben, zu einer Belastung für die Regierung von Biden werden. Dies gilt insbesondere in einer Zeit, in der die arabische Welt – nebst Washingtons NATO-Verbündeten Türkei – damit begonnen hat, die formellen Beziehungen zu Damaskus zu normalisieren.

Eine Annäherung zwischen Syrien und der Türkei könnte auch für die Verdrängung der USA aus Syrien von entscheidender Bedeutung sein, da sich beide Länder bei einer zukünftigen türkischen Offensive gegen die von Kurden geführten Demokratischen Kräfte Syriens (SDF) im Nordosten koordinieren könnten. Die SDF agieren als eine Art US-Stellvertretertruppe, die es den Amerikanern ermöglicht, mit einer kleinen Anzahl ihrer eigenen Truppen etwa ein Drittel des syrischen Territoriums zu besetzen. Dazu gehören die fruchtbarsten landwirtschaftlichen Flächen und der Großteil der natürlichen Ressourcen Syriens. Frühere Angriffe, die 2018 und 2019 von Ankara lanciert wurden, führten zu einem Rückzug der US-Streitkräfte, um nicht versehentlich Reibungen mit ihrem NATO-Verbündeten zu verursachen. Für den Fall, dass eine weitere Militäroperation aus der Türkei aus gestartet wird, könnte Syrien theoretisch in die Lage kommen, seine Ölfelder zurückzuerobern.

Der Übergang zu einer frontalen Konfrontationsstrategie durch die mit Iran verbündeten Gruppen und die syrische Regierung könnte zu neuen Fakten vor Ort und zur Möglichkeit eines kompletten US-Abzugs führen, vorausgesetzt, die Biden-Regierung ist nicht vollständig von der Idee besessen, in Syrien zu bleiben.

Übersetzt aus dem Englischen.

Robert Inlakesh ist politischer Analyst, Journalist und Dokumentarfilmer und lebt derzeit in London. Er hat aus den besetzten palästinensischen Gebieten berichtet und dort gelebt und arbeitet derzeit für Quds News und Press TV. Er ist Regisseur des Films "Diebstahl des Jahrhunderts: Trumps Palästina-Israel-Katastrophe". Man kann ihm auf Twitter unter @falasteen47 folgen.

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