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Weniger Bürgergeld und Aus für Rente mit 63 - FDP legt "Anti-Ampel-Papier" vor

Nicht nur das April-Wetter ist unbeständig, auch das Klima in der Ampelkoalition. Die FDP-Fraktion sorgt mit ihrem jüngsten Wirtschaftsplan für dunkle Wolken am politischen Himmel der Hauptstadt. Das Papier beinhaltet Diskussionsstoff zu den Themen "Leistungskürzungen beim Bürgergeld" und dem Aus für die "Rente mit 63".
Weniger Bürgergeld und Aus für Rente mit 63 - FDP legt "Anti-Ampel-Papier" vorQuelle: Gettyimages.ru © Future Image

In der gefürchteten "Gerüchteküche" des politischen Berlins köchelt schon länger die Mutmaßung, dass die FDP einem vorzeitigen Ende der sogenannten Ampelkoalition nicht vollkommen abgeneigt sei. FDP-Finanzminister Christian Lindner entgegnete diesbezüglicher Unterstellungen Anfang April im ZDF den Zuschauern abschwächend, indem er sich lediglich eine "Mentalitätsreform" der Bürger wünsche, die gleichzeitig Bestandteil eines "guten Haushalts und einer Wirtschaftswende" darstellen könnten.

Nun zitierte am Sonntag die Bild-Zeitung ein zwölf Punkte FDP-Papier "zur Beschleunigung der Wirtschaftswende". Die Kernpunkte sorgten vor allem in den Kreisen der SPD für umgehendes Unverständnis und Ärger. SPD-Chef Klingbeil reagierte zu den Inhalten mit der Feststellung, das "Papier sei ein Irrtum und ein Angriff auf die wahren Leistungsträger im Land". Das Papier wurde nichtsdestotrotz am Montag seitens der FDP-Führung beschlossen.

Der Berliner Tagesspiegel stellte zu den politischen Ereignissen und ersten Reaktionen nach dem Bild-Artikel fest: 

"FDP-Papier bringt Ampel in Bedrängnis: Die Verbindung ist gekappt – Die Koalition entfremdet sich immer mehr." 

Die Bild-Redaktion präsentierte die Eckpunkte des "Anti-Ampel-Papiers". Zusammenfassend heißt es zu den anvisierten Plänen der FDP-Fraktion:

"Die Liberalen wollen unter anderem Jobverweigerern die Leistungen sofort um 30 Prozent kürzen, die Sozialleistungen einfrieren, die Rente mit 63 (für Jüngere mit 65) abschaffen, die Förderung für Windkraft- und Solaranlagen komplett canceln."

Das FDP-Präsidium beschloss demnach laut Bild-Informationen das Papier "mit minimalen Änderungen", um darin inhaltlich zu verankern:

  • Bürgergeld: "Arbeitsverweigerer" sollen mit einer "sofortigen Leistungskürzung von 30 Prozent" rechnen müssen. Der Spielraum für verschärfte Sanktionen müsse ausgenutzt werden, "bis hin zu einer vollständigen Streichung von Leistungen".
  • Sozialleistungen: Das Sozialleistungs-Moratorium soll vorerst drei Jahre gelten, "auch bei der Bürgergeldberechnung müsse strikt die regelbezogene Preisentwicklung berücksichtigt werden". Daraus ergibt sich eine "Nullrunde für 2025".
  • Rente mit 63: "Angesichts des Fachkräftemangels" könne man sich "das Herzensprojekt der SPD nicht mehr leisten". Zudem soll "der Arbeitgeberbeitrag zur Arbeitslosenversicherung nach Erreichen der Regelarbeitsgrenze gestrichen werden".
  • Lieferkettengesetz: Die deutsche Regelung gehöre bereits vor Umsetzung des EU-Gesetzes "vollständig ausgesetzt". Die EU-Lieferkettenrichtlinie solle möglichst locker umgesetzt werden. Es sollten "alle Spielräume genutzt werden, um unverhältnismäßige und praxisferne Belastungen für die Wirtschaft zu verhindern".

Als zumutbare Arbeit nennt das Papier demnach explizit auch "sogenannte Ein-Euro-Jobs". Die Berliner Zeitung zitiert aus dem FDP-Papier folgende Pläne:

"Zum Thema Energie heißt es in dem Papier, die Erneuerbaren sollten 'endgültig in den Markt' übernommen und deshalb nicht mehr staatlich gefördert werden. Die EEG-Umlage, über die der Ausbau der Erneuerbaren mitfinanziert wird, müsse gesenkt und schrittweise abgeschafft werden."

Eine erste Kritik erfolgte noch am Sonntag mehrheitlich seitens des SPD-Partners in der Koalition. Deren Parteichef Klingbeil wird mit den Worten zitiert:

"Es ist richtig, dass wir etwas tun müssen, um die Wirtschaft anzukurbeln, Arbeitsplätze hier im Land zu sichern und neue zu schaffen. Dafür tragen wir in der Regierung gemeinsam Verantwortung. Wenn die FDP aber glaubt, dass es der Wirtschaft besser geht, wenn es Handwerkern, Krankenschwestern oder Erzieherinnen schlechter geht, dann irrt sie gewaltig."

SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich nannte das Papier laut Tagesspiegel-Zitat "ein Überbleibsel aus der Mottenkiste und nicht auf der Höhe der Zeit". Das Papier samt Vorschlägen habe nichts mit wirtschaftspolitischer Kompetenz zu tun, "sondern mit weiteren Belastungen für die arbeitende Bevölkerung". Die SPD würde daher inhaltlich keinen einzigen Punkt unterstützen, der "Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer schwächt und den sozialen Gedanken des Grundgesetzes aushebelt", so Mützenich.

SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert gab zu Protokoll:

"Die SPD lässt nicht zu, dass unser Land mit dem Fingerspitzengefühl von Investmentbankern geführt wird. Grundlage der Ampelkoalition ist und bleibt der Koalitionsvertrag."

Medial wird die Veröffentlichung des FDP-Papiers eindeutig als weiteres eindeutiges Signum gewertet, dass die Liberalen kein weiteres Interesse an der Ampelkoalition hegen und pflegen. Der Tagesspiegel kommentiert:

"Es ist doch mehr Symbolpolitik als echte Wirtschaftspolitik. Das Ziel: Je lauter man unausgesprochen ruft 'Wir wollen hier raus', umso eher verzeihen die eigenen Wähler der FDP das Mittragen von Kompromissen."

Die Grünen haben wiederum die provokativen Vorschläge der Liberalen auf Medienanfragen bis dato nicht kommentiert. BSW-Vorsitzende Sahra Wagenknecht wird mit der Feststellung zitiert:

"Die Scheidungspapiere der Ampel sind längst unterzeichnet. Aber für ein Trennungsjahr bis Ende 2025 hat das Land keine Zeit."

Der Linke-Vorsitzende Martin Schirdewan nannte das FDP-Papier "ein Dokument der sozialen Grausamkeit". Der bayerische Ministerpräsident und CSU-Chef Markus Söder teilte der Bild am Sonntag mit: "Das ist nichts anderes als eine Scheidungsurkunde für die Ampel". Der CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann erklärte wahltaktisch:

"Die FDP muss sich ehrlich machen. Entweder sie steigt aus der Ampel aus oder sie setzt einige notwendige Maßnahmen durch. Da sind einige Punkte drin, die man unter schwarz/gelb schnell umsetzen könnte."

FDP-Präsidiumsmitglied und Spitzenkandidatin für die Europawahl Marie-Agnes Strack-Zimmermann verteidigte die Inhalte des Papiers:

"Es ist der richtige Schritt zur richtigen Zeit. Wenn wir das nicht machen, werden wir auch nicht die Mittel haben, die wiederum für Sicherheit von großer Relevanz sind."

Nach erstem finalem Beschluss zu Wochenbeginn wird nun am kommenden Wochenende auf einem Bundesparteitag der Liberalen in Berlin final seitens der FDP-Delegierten das Papier gegebenenfalls verabschiedet.

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