International

"Problem nicht im Mangel an Plänen" – Russische Reaktionen auf Telefonat zwischen Xi und Selenskij

Russlands Außenministerium hat in seiner Erklärung Pekings Bemühungen um eine Friedenslösung in der Ukraine gewürdigt. Eine erfolgreiche Vermittlung durch China sei wegen Kiews Unzuverlässigkeit dennoch unwahrscheinlich, glauben Experten.
"Problem nicht im Mangel an Plänen" – Russische Reaktionen auf Telefonat zwischen Xi und SelenskijQuelle: AFP © DMITRY ASTAKHOV, Daniel LEAL

Von Alexander Karpow, Aljona Medwedewa, Wladimir Dujun

Moskau sehe Pekings Bereitschaft, einen Verhandlungsprozess im Ukraine-Konflikt einzuleiten, doch könne Kiew kaum adäquat auf Aufrufe zum Frieden reagieren, lautet die Erklärung der Sprecherin des russischen Außenministeriums, Maria Sacharowa.

"Wir merken die Bereitschaft der chinesischen Seite, Anstrengungen für die Einleitung eines Verhandlungsprozesses zu unternehmen. Wir sehen eine große Übereinstimmung unserer prinzipiellen Herangehensweisen mit den Bestimmungen der entsprechenden Erklärung, die vom Außenministerium Chinas am 24. Februar dieses Jahres veröffentlicht wurde",

kommentierte Sacharowa das Telefonat zwischen dem chinesischen Präsidenten Xi Jinping und dem ukrainischen Staatschef Wladimir Selenskij.

"Dabei glauben wir, dass das Problem nicht im Mangel an guten Plänen besteht. Bisher verweigert das Kiewer Regime jegliche gesunden Initiativen zur politisch-diplomatischen Regulierung der ukrainischen Krise und bedingt seine eventuelle Verhandlungsbereitschaft durch Ultimaten mit a priori unrealistischen Forderungen", betonte die Sprecherin des russischen Außenministeriums.

Sacharowa erinnerte daran, dass Kiew seine Einstellung zu Friedensinitiativen schon demonstriert hatte, als es eine praktisch fertige Friedenslösung bei Verhandlungen mit Russland im Frühling 2022 ablehnte.

"Wladimir Selenskij hat sogar jegliche Verhandlungen mit dem Präsidenten der Russischen Föderation, Wladimir Putin, gesetzlich verboten. Somit werden jegliche Aufrufe zum Frieden von Marionetten, die aus Washington gesteuert werden, kaum adäquat angenommen werden", betonte sie.

Die russische Diplomatin erinnerte auch daran, dass Selenskijs Regierung die Kommunistische Partei und kommunistische Ideologie offiziell verboten hat und dass die Rada den Status Taiwans als einen Teil der Volksrepublik China bestreitet.

"Gedankenaustausch"

Das Telefonat zwischen Xi Jinping und Wladimir Selenskij fand am 26. April statt. Peking fügte hinzu, dass dies auf Bitte der ukrainischen Seite geschah. Chinas Außenministerium meldete, dass während des Dialogs der chinesische Präsident betonte, dass "Dialog und Verhandlungen" die einzigen Auswege aus der Krise seien.

"China wird auch künftig Friedensgespräche unterstützen und Anstrengungen zum schnellstmöglichen Waffenstillstand und Wiederherstellung des Friedens unternehmen. China wird in die Ukraine und andere Staaten einen besonderen Regierungsvertreter in Angelegenheiten der Länder Eurasiens schicken, um ausführlich Meinungen in Fragen der politischen Regulierung der Ukraine-Krise auszutauschen", so die Erklärung des chinesischen Außenministeriums.

Später berichtete der stellvertretende Leiter der Abteilung für zentralasiatische und osteuropäische Staaten des chinesischen Außenministeriums, You Jun, dass die spezielle Delegation zur Regulierung der Krise in der Ukraine vom ehemaligen Botschafter Chinas in Russland, Li Hui, geleitet wird.

Das Telefonat mit dem chinesischen Staatschef wurde auch von Selenskijs Administration kommentiert. So behauptete der Pressesprecher des ukrainischen Präsidenten, Sergei Nikiforow, dass es in den Friedensplänen Kiews und Pekings Berührungspunkte gebe.

"Es fand ein Gedankenaustausch statt, das heißt, Chinas Staatschef stellte in Person seinen 'Friedensplan' vor, der öffentlich zugänglich und gut bekannt ist. Der Präsident der Ukraine erzählte von seiner Friedensformel, die für uns Priorität hat. Es ist angenehm, dass es gewisse Berührungspunkte gibt", sagte Nikiforow.

Er fügte hinzu, dass es sich dabei um die Fragen von Nichtverbreitung und Nichteinsatz von Nuklearwaffen handele.

"Dies sind diejenigen Berührungspunkte, von denen aus dieser Dialog weiterentwickelt werden kann. Es ist auch angenehm, dass China an einer Wiederherstellung des Friedens interessiert ist."

Auch Selenskij selbst sprach von seinem Telefonat mit dem chinesischen Präsidenten.

"Es kann keinen Frieden auf Kosten von territorialen Zugeständnissen geben. Die territoriale Integrität der Ukraine muss in den Grenzen von 1991 wiederhergestellt werden", lautet die Erklärung auf dem offiziellen Telegramkanal des ukrainischen Präsidenten.

Zuvor hatte China nicht nur eine Wiederaufnahme von Friedensverhandlungen bezüglich der Ukraine vorgeschlagen, sondern auch im Februar einen Friedensplan aus zwölf Punkten vorgelegt, der zu einem Waffenstillstand, den Beginn von Verhandlungen und der Aufhebung von einseitigen Sanktionen aufruft.

Allerdings wurde Chinas Friedensinitiative von Washington und Kiew abgelehnt. Insbesondere behauptete der Berater des ukrainischen Präsidialamts, Michail Podoljak, dass der chinesische Friedensplan eine Übergabe von Territorien an Russland bedeuten würde und dass Lösungsvorschläge Russlands Interessen nicht berücksichtigen sollten.

Seinerseits behauptete US-Präsident Joe Biden, dass Chinas Plan nur Russland zugutekomme. Washington setzte sich ebenfalls gegen einen Waffenstillstand ein, weil Moskau davon angeblich profitieren könnte.

Gegenstandsloses Gespräch

Der Leiter des Instituts für asiatische und afrikanische Länder der Moskauer Staatlichen Universität, Alexei Maslow, bemerkte in einem Gespräch mit RT, dass Russland Chinas diplomatische Bemühungen zwar begrüße, doch aus eigener Erfahrung weiß, dass Kiew kein vertrauenswürdiger Verhandlungspartner sei.

"Die Position der russischen Seite besteht darin, dass Selenskij keine Möglichkeit hat, Entscheidungen in einer solch wichtigen Frage zu treffen. Wahrscheinlich bestand der Sinn des Telefonats des chinesischen Staatschefs mit Selenskij gerade darin, herauszufinden, inwiefern der Präsident der Ukraine zu einer Regulierung bereit ist. Mit Sicherheit müsste sich Xi Jinping überzeugen, dass bei Weitem nicht alle Entscheidungen in Kiew, sondern viele in Washington getroffen werden", bemerkte der Experte.

Die Skepsis des russischen Außenministeriums sei verständlich, da die Ukraine a priori inakzeptable Bedingungen für eine Wiederaufnahme von Verhandlungen stelle, fügte Maslow hinzu. Davon zeuge auch die Forderung des ukrainischen Präsidenten über eine Rückkehr zu den Grenzen von 1991.

"Damit demonstriert Selenskij, dass er dem chinesischen Druck nicht nachgibt, doch an sich zeugt es von fehlender Verhandlungsbereitschaft des ukrainischen Präsidenten. Chinas Idee besteht darin, eine Feuerpause einzulegen, sich an einen Verhandlungstisch zu setzen und die Territorialfragen nur mit diplomatischen Mitteln zu lösen. Selenskij kehrt wiederum zu einer alten Position zurück, die aus der Sichtweise der chinesischen Initiativen überhaupt nicht konstruktiv ist", erklärte der Politologe.

China sei heute die einzige Großmacht, die keine Konfliktpartei sei und die in diesem Sinne das Recht habe, eine Vermittlung anzubieten, erinnerte Maslow.

"Kiew will es entweder nicht, oder ihm wird kein Rückzug aus dem Konflikt erlaubt", bemerkte er. 

Dennoch werden Chinas Bemühungen wahrscheinlich keine sofortige Wirkung zeigen, fügte Maslow hinzu und erklärte:

"Man muss verstehen, dass es kein schneller Prozess ist. Er kann mehrere Monate dauern. Jedenfalls gelang es Peking, das Interesse aller Seiten – Ukraine, Russland, Westeuropa und den USA – zu wecken. Dies ist eine Tatsache. Es stellte sich heraus, dass Chinas Friedensplan, der skeptisch begutachtet wurde, eine durchaus funktionsfähige Angelegenheit ist."

Seinerseits äußerte der Experte des Internationalen Instituts für humanitärpolitische Studien, Wladimir Bruter, dass die ukrainische Seite zwar Plattitüden über Berührungspunkte mit China verkünde, tatsächlich aber nicht von ihren unerfüllbaren Bedingungen abrücke.

"Der ukrainische Regulierungsplan sieht Bedingungen vor, die für Russland nicht hinnehmbar sind. Deswegen ist es keine Frage von Plänen. Es scheint unmöglich zu sein, etwas in dieser Lage sachlich zu besprechen. Gerade deswegen blieben alle Verhandlungsbemühungen von Russland, die es seit dem Beginn der Militäroperation unternahm, erfolglos. China kann noch so schöne Pläne haben, doch der Westen wird ihnen nie zustimmen. Sowohl wir als auch China müssen es verstehen", erklärte er im Gespräch mit RT.

Chinas Präsident habe sein Wort gehalten und mit Selenskij telefonisch gesprochen, doch müsse er verstehen, dass Russland die Position der ukrainischen Seite, insbesondere im Hinblick auf neue territoriale Gegebenheiten, nicht akzeptieren könne, fügte Bruter hinzu.

"Xi Jinping versprach, mit Selenskij zu sprechen und hat mit ihm gesprochen. China will allen zeigen, dass es in diesem Konflikt niemanden direkt unterstützt und sich für eine friedliche Lösung einsetzt. Doch das Weiße Haus erklärte bereits, dass sie nicht sagen können, ob das Gespräch zwischen Xi Jinping und Selenskij zu irgendwelchen Ergebnissen führen könne. Dies bedeutet, dass die USA auf ihre Pläne im Hinblick auf die Ukraine nicht verzichten werden", erklärte Bruter.

Der Politologe fügte hinzu, dass es gegenwärtig kein Verständnis dafür gebe, unter welchen Bedingungen der Konflikt beendet werden kann und die Gespräche mit der ukrainischen Regierung darüber nicht sachlich sein können.

"Kiew will sich an keine Pläne orientieren, Washington hat schon alles vorbestimmt. Die USA werden entscheiden, wann sie diesen Konflikt beenden oder nicht beenden werden. Die heutige Lage ist nicht annähernd im Endstadium des Konflikts, denn Washington will nur eines – eine Kapitulation von Russland. Solange Kiews Schirmherren sich an dieses Prinzip halten, kann es keine friedliche Regulierung geben", resümierte Bruter.

Übersetzt aus dem Russischen.

Mehr zum Thema Die USA instrumentalisieren die Ukraine gegen China

Durch die Sperrung von RT zielt die EU darauf ab, eine kritische, nicht prowestliche Informationsquelle zum Schweigen zu bringen. Und dies nicht nur hinsichtlich des Ukraine-Kriegs. Der Zugang zu unserer Website wurde erschwert, mehrere Soziale Medien haben unsere Accounts blockiert. Es liegt nun an uns allen, ob in Deutschland und der EU auch weiterhin ein Journalismus jenseits der Mainstream-Narrative betrieben werden kann. Wenn Euch unsere Artikel gefallen, teilt sie gern überall, wo Ihr aktiv seid. Das ist möglich, denn die EU hat weder unsere Arbeit noch das Lesen und Teilen unserer Artikel verboten. Anmerkung: Allerdings hat Österreich mit der Änderung des "Audiovisuellen Mediendienst-Gesetzes" am 13. April diesbezüglich eine Änderung eingeführt, die möglicherweise auch Privatpersonen betrifft. Deswegen bitten wir Euch bis zur Klärung des Sachverhalts, in Österreich unsere Beiträge vorerst nicht in den Sozialen Medien zu teilen.